RAZ: Kennen Sie den Riederwald ( die Siedlung, den Wald)?
Peter Fischer: Durch die Siedlung bin ich oft gegangen und durch den Wald auch gelaufen. Sie hat doch auch einen hohen historischen Charakter. Die kleine Bank, der kleine Bäcker, die kleine Apotheke, Das waren immer so meine Anlaufstationen. Auch im Italiener „Il Doge“ sind wir hin und wieder anzutreffen. Außerdem hatten wir sehr lange eine Putzfrau, die aus dem Riederwald kam. Ein unglaublich liebenswerter Mensch. Sie hatte öfter Kribbelkuche, Äppelkuche und Zwetschgekuche gebacken. Für ihren Präsidenten, wie sie immer sagte. Auch im Alter von 80 Jahren war sie nicht davon abzubringen, zu uns zum Putzen zu kommen. Als sie schwer krank wurde, habe ich sie ab und zu in ihrer kleinen Wohnung im Riederwald besucht. Und dann gab es noch Walter Scheuer, der ein Textilgeschäft hatte (Anmerkung der Redaktion: Sohn Joachim führt noch immer den Laden und die Postfiliale an der Schäfflestr.) und leider vor einigen Jahren verstorben ist. Er war 80 Jahre lang Vereinsmitglied und konnte sehr viel über den Riederwald erzählen. Walter Scheuer besaß ein großes Auto und fuhr früher den einen oder anderen Präsidenten zum Fußballspiel. Ich war regelmäßig auf Walters Geburtstag. Dort wurde jedes Jahr das Glücksrad gedreht. Es gab Pralinen zu gewinnen, ich selbst war aber immer scharf darauf, auf ein rotes Feld zu kommen. Dafür gab es nämlich dann frische Tomaten. Wir als Verein fühlen uns als Teil dieser Riederwälder Gemeinschaft. Uns sind Nachbarschaft, Verbindung und Helfen immer ein großes Anliegen gewesen. Wir sind offen, wir sind anfassbar, wir öffnen die Türen. Ich finde das ganz wichtig, dass das auch bewusst ist. Wir sind Nachbarn und ein gutes Miteinander ist wichtig. Wir sind ein Teil dieser Gemeinschaft. Es heißt heute noch: die Riederwälder. Wir sind stolz darauf. Darauf sollten auch die Riederwälderinnen und Riederwälder stolz sein. Wir sehen uns als selbstbewusste Nachbarn.
RAZ: Früher galt die Eintracht als Verein der nicht in einem einzelnen Stadtteil verwurzelt war, sondern in dem sich vor allen Dingen das „gehobene Bürgertum“ versammelte. Wie stellt sich das heute dar?
Peter Fischer: Der Verein hat aktuell knapp 70.000 Mitglieder. Ich bin mir ganz sicher, dass wir einen absoluten Querschnitt durch unsere Gesellschaft abbilden.
Wir haben Menschen, die zur sogenannten Oberschicht gehören. Wir haben aber auch Menschen, die darum bitten müssen, dass der Mitgliedsbeitrag mal gestundet wird. Ich habe vor Kurzem beim Spiel gegen Mönchengladbach den 10.000 Junioradler begrüßt (das sind Mitglieder im Alter von 0-14 Jahren). 102 Nationalitäten haben wir im Verein. Wir sind ein internationaler Verein, der alle Schichten der Bevölkerung abbildet.
RAZ: Sie sind bundesweit bekannt geworden dafür, dass Sie sich klar gegen Rassismus einsetzen. Von Ihnen ist die Aussage überliefert: „Wer die AFD wählt oder Mitglied ist, passt nicht zur Eintracht“. Was treibt sie an, nicht nachzulassen mit diesem Engagement?
Die Antwort auf diese Frage ist schwer in ganz wenige Worte zu fassen. Ich versuche es dennoch und fange mit der Geschichte an. 1933 haben viele Menschen ein Kreuz bei einer Partei gemacht und wussten nicht, dass ihre Väter und Söhne sterben und dass am Ende mehr als 50 Mio. Menschen im Krieg fallen werden. Alleine 6 Mio. Juden und weitere zigtausende Andersdenkende, Sinti und Roma, Homosexuelle wurden ermordet, Bomben fielen über Frankfurt. All das haben die Menschen nicht gewusst, als sie das Kreuz setzten. All das wollten sie auch nicht, aber damit haben sie den Weg dafür frei gemacht. Die NSDAP war eine demokratisch gewählte Partei, so wie eine AFD auch eine demokratisch gewählte Partei ist. Und wir müssen aufpassen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt und als Verein klare Kante zeigen. Wir haben eine Satzung, auf die ich stolz bin. Ich bin stolz auf die Väter der Satzung, auf die „Juddebube“, bin stolz darauf, dass wir unsere Geschichte von 1933 bis1945 gut aufgearbeitet haben. Ich bin stolz darauf, dass wir weltoffen und tolerant sind, Fairplay leben und Homophobie ausschließen. Wir haben eine liberale, eine ganz menschenoffene Satzung. Sie umarmt Menschen egal welcher Herkunft, egal welcher Nationalität. Unser Verein soll unsere knapp 70.000 Mitglieder verbinden. Unser Verein und ich wehren uns gegen die Anfänge, wir werden niemals aufgeben. Das ist mir am Ende wichtiger als ein Fußballergebnis. Da setze ich ganz klar Prioritäten. Ich möchte jeden Morgen guten Gewissens in den Spiegel gucken. Wir haben hier einen Johanna-Tesch-Platz. Johanna Tesch war ein Kind aus der Arbeiterbewegung. Sie war schon früher eine Frau, die sich um soziale Angelegenheiten gekümmert hat, der Menschen wichtig waren. Das ist Tradition für mich und für die Riederwälder. Ich fühle mich wohl in den Wurzeln dieser Riederwälder. Ich fühle mich wohl mit der Arbeitersiedlung und ich fühle mich wohl im Geiste Johanna Teschs. Ich lebe heute im Jahre 2019, das ist eine andere Zeit, aber solange man mir Mund, Ohren und Augen gibt, werde ich diese auch benutzen.
RAZ: 2018 wurden Sie mit 99% der anwesenden Mitglieder als Präsident von Eintracht Frankfurt bestätigt. Bewerten Sie das als klare Zustimmung zu ihrer Haltung und bestärkt Sie das, in diesem Sinne weiter zu agieren?
Peter Fischer: Das war eine absolute Bestätigung. Wie viel stolzer kann man auf einen Verein noch sein?! Das ist immerhin ein Thema, mit dem man sich nicht nur Freunde macht.
RAZ: Wie verhält sich der Verein Eintracht Frankfurt gegenüber dem Ausbau der A 66? Befürchten Sie Einschränkungen des Spielbetriebs während des Baus und nach Fertigstellung?
Peter Fischer: Die aktuelle Situation des Erlenbruchs ist furchtbar. Der ersten und zweiten Häuserreihe wird ein Großteil der Lebensqualität genommen. Seit 30 Jahren plant man nun an dem Projekt. Verkehrsplaner, Kommunal- und Landespolitik haben da versagt.
Ich bin mir relativ sicher, dass wir als Riederwälder auch zukünftig alle mit Einschränkungen leben werden müssen. Es ist abzuwägen, inwieweit die Einschränkungen mit denen wir heute Tag für Tag aufgrund der Verkehrssituation leben, nach dem Tunnelbau größer oder kleiner sind. Aktuell ist es jedenfalls für die Menschen nicht zumutbar.
Am 14. Mai gibt es für alle Riederwälder*innen die Möglichkeit, sich das Leistungszentrum der Eintracht mal genauer anzuschauen. Alle Infos [HIER]